Gradara und die Geschichte von Paolo und Francesca

Gradara In der mittelalterlichen Burg von Gradara hat sich die berühmteste “Love Story”, die Liebesgeschichte zwischen Paolo und Francesca, wie Dante sie besingt, ereignet. Die Fensterläden von Francescas Zimmer bleiben mittlerweile fast ständig verschlossen. Niemand lehnt sich zum Fenster hinaus um sich mit einem Blick in die Ewigkeit das “Herz zu erweichen”. Seit jenem Tag im Jahr 1289 bleibt das Zimmer der Burg von Gradara im Halbschatten: Man erahnt die Fresken an der Wand, das große Bett und das legendäre Lesepult, auf dem das Buch “galeotto” ( Kuppler) gelegen hat, indem von der verbotenen Liebe zwischen Lanzelot und Ginevra geschrieben war. Eine Falltür versteckt den Geheimgang, der es Paolo ermöglichte die Angebetete zu besuchen, aber sie war ihm nicht von Nutzen, als er von der rachsüchtigen Wut des Gianciotto angegriffen wurde.

Ringsherum erinnert die Harmonie der Landschaft an die Malerei aus dem 15. Jh.. Es gibt Momente in denen in dieser Aussicht alles scheint, als wäre er nur dafür geschaffen, eine Idylle erblühen zu lassen. Und wenn Francesca der Liebe zum Schwager nachgegeben hat, muss man ihr auch eine Rechtfertigung zugestehen.

Der antike Marktfleck, der von bezinnten Mauern umgeben ist, entspringt wenige Kilometer von der Adriatischen Küste entfernt. Von höchsten Punkt des Hügels überragt die Burg die wenigen Häuser, aus denen das Dorf besteht. Die Atmosphäre scheint dieselbe, die einst Paolo und Francesca umgab und so einen der berühmtesten Liebesromane der Geschichte, der Literatur und der Kunst entstehen ließ.

Aber die Diskussionen enden nie, und so hat es in Rimini kürzlich auch einen wahrhaften Prozess gegeben, um festzustellen welche der Burgen der Familie Malatesta nun den Anspruch für sich erheben kann, die Liebe dieser unglücklichen Schwager und Schwägerin beherbergt zu haben. Am Ende ist das Dilemma ungelöst geblieben. Aber wer Gradara kennt und von Zimmer zu Zimmer gewandert ist, den kleinen Innenhof und den bezaubernden Bogengang der Renaissance kennen gelernt hat, dem scheint die Lösung dieses Problems unwichtig. Der Zauber ist nach achthundert Jahren noch intakt.

Die Geschichte von Paolo und Francesca ist berühmt. Die Malatesta waren die Herrscher von Rimini, und ihre Familie, so behaupteten sie, stamme direkt con Scipione, dem Afrikaner ab. Malatesta von Verucchio, der Vater von Giovanni, genannt Gianciotto, von Paolo dem Schönen, von Malatestino dall'Occhio und von Pandolfo verstand die strategische Bedeutung von Gradara und begann mit dem Bau der Burg. Die Familie Malatesta gehörte zu den Welfen, wie auch Guido da Polenta, Herrscher von Ravenna, und um diese Allianz zu stärken, entschied man für die Ehe zwischen dem erstgeborenen Gianciotto, einem tapferen Krieger und der schönen Francesca, Tochter von Guido.

An diesem Punkt verflechtet sich die Geschichte mit der Legende. Fast so, als wollte man den zukünftigen Ehebruch rechtfertigen, erzählt die Legende Folgendes: um sie zu überzeugen den hässlichen und wackeligen Gianciotto zu heiraten, ließ man Francesca im Glauben, ihr zukünftiger Ehemann wäre der faszinierende Paolo. Die Hochzeit wurde 1275 gehalten und Gianciotto wird Bürgermeister von Pesaro. Ein damaliges Gesetz verbot dem Bürgermeister, der um der Gleichheit aller Bürger willen aus der Fremde kommen musste, seine Familie mit sich in das neue Haus zu bringen, und so zog Francesca in die nahe stehende Burg von Gradara.

Ihr Leben war einsam und wurde lediglich von den häufigen Besuchen ihres Schwagers aufgeheitert. Aber eines Tages, das Buch, das sie lasen wurde Komplize, küsste er zitternd ihren Mund... und fortan lasen sie nicht mehr (weiter). Aber das Glück dauerte nicht lange, denn Gianciotto, der Verdacht geschöpft hatte, überraschte sie in den Gemächern Francescas. Francesca, die Paolo zu verteidigen sucht, und dann Paolo selbst wurde vom Schwert des eifersüchtigen Ehemannes getötet. Man erzählt, dass Gianciotto sich am Bruder hatte rächen wollen, indem er dessen toten Körper in eine Fallgrube werfen hat lassen. Den Körper der geliebten Francesca hat er in einem antiken Sarkophag schließen lassen. Von ihm ist lange Zeit jede Spur verschwunden geblieben. Erst fünf Jahrhunderte später, während einiger Restaurationsarbeiten, hat man einen Sarkophag gefunden der die Reste einer “noblen in elegante Kleider gehüllten Dame” verwahrte.

Das Schicksal von Gradara ist beschieden: im Inneren ihrer Mauern hätte es nur noch unglückliche Lieben geben sollen. Gegen Ende des 15. Jh, mittlerweile war es an die Familie Sforza übergegangen, zog Giovanni in die Burg, um seine junge Braut, Lucrezia Borgia, Tochter von Rodrigo (dem zukünftigen Papst Alexander VI) zu empfangen. Er wollte die antike Burg angenehm und gastfreundlich gestalten. Die Waffenzimmer wurden zu großen und hellen Schlafgemächern umfunktioniert. Die Wölbungen und die Wände der “Gemächer Lukrezias” wurden vollkommen mit prächtigen Fresken bemalt, die die Schlossherrin als Glückgöttin darstellten. Autor dieser Gemälde war eventuell Giovanni Santi, Vater des Raffaello, der in jenen Jahren in Gradara wirkte.

Die Versuche Giovanni Sforzas, die Gattin mit Annehmlichkeiten und künstlerischen Werken zu umgeben konnten jedoch das Ende seiner Ehe nicht vermeiden. Der Papst Alexander VI zwang ihn die Annullierung seiner Ehe zu akzeptieren und sein Hab und Gut dem Sohn Cesare Borgia zu überschreiben. Die Jahre vergingen, aber die Schlossherrinnen hatten immer eine führende Rolle in der Geschichte der Burg: So wurde sie 1513 Eigentum der Della Rovere. Es waren ihre Frauen, Eleonora Gonzaga, Vittoria Farnese und Lidia Della Rovere, die Gradara dank fabelhafter Feste und feierlicher Bankette berühmt werden ließen.

In den siebenhundert Jahren sind in dem Ort viele tapfere Feldherren und adelige Familien ein- und ausgegangen, die zur Erinnerung Wappen und antike Waffen hinterlassen haben. Aber für alle ist sie die Burg von Paolo und Francesca geblieben. Vor allem hat ihre Geschichte Maler und Schriftsteller des 19. Jahrhunderts inspiriert. Die Geschichte der zwei Liebenden ist eine der verbreitetesten der romantischen Kultur geworden. Ingres hat sogar sieben Varianten des selben Bildes gemalt, in denen er nur Kleinigkeiten änderte.

Nach ihm gab es viele andere die sie gemalt haben, von Giuseppe Bezzuoli bis Mosè Bianchi und Dante Gabriel Rossetti, von Gustave Dorè, dem größten Zeichner der “Göttlichen Komödie” bis Auguste Rodin und Gaetano Previati. Edoardo Fabbri, Silvio Pellico und D'Annunzio haben darüber geschrieben; sie sahen in dieser mit Füßen getretenen Liebe das Symbol für ein Mittelalter, indem Gewalt und Betrug alles Menschliche erstickten. Seine Francesca da Rimini wurde das erste Mal im Dezember 1901 in Rom in einer herzzerreißenden Interpretation von Eleonora Duse aufgeführt und von Riccardo Zandoni vertont, der ein Meisterstück daraus hatte entstehen lassen.

Natürlich durfte auch eine Kinoverfilmung von Paolo und Francesca nicht fehlen. In einem Film aus dem Jahr 1949 von Odile Versois und Armando Francioli in der Rolle der Protagonisten und einem sehr jungen Roberto Murolo als Hofnarr, zieht der Regisseur ein großes populäres Melodram dem jegliche klassische Bezugnahme auf die Geschichte fehlt, vor.

Wahrscheinlich hätte diese dunkle, mittelalterliche Angelegenheit nicht so viele Gemälde, Tragödien und Melodramen inspiriert, wäre nicht jeder Künstler von der gelittenen Beichte Francescas, die ihre Liebe zu Paolo noch nicht einmal im Höllenkreis verneinen hat wollen, beeindruckt. Nach so vielen Jahren, “vergibt sie dem, den sie nicht liebte, sie geliebt zu haben” und wir erinnern uns an das Gefühl, das uns ergriff, als die Poesie Dantes uns plötzlich die Epoche nahe bringt, die uns bis zu jenem Moment so fremd schien.

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